Nach den schweren Vorwürfen gegen Maestro Gustav Kuhn meldeten sich in Erl erstmals die Künstler bzw. Mitarbeiter zu Wort. Sie sind entsetzt über die derzeitige Darstellung der Tiroler Festspiele Erl und plädieren für die Unschuldsvermutung.
Von „modernen Sklaventum“ über den Verdacht auf Lohndumping bis hin zu „anhaltendem Machtmissbrauch“ und sexueller Belästigung reichen die Vorwürfe gegen Maestro Gustav Kuhn. Nachdem sich fünf ehemalige Künstlerinnen in einem offenen Brief im Juli an die Öffentlichkeit wandten, unterstrichen acht Musiker und Ex-Angestellte vergangene Woche im Nachrichtenmagazin „Profil“ die Vorwürfe: In einer Solidaritätserklärung, unterzeichnet u. a. von Jan Hax Halama (Chefbühnenbildner 2012-2015) und Christoph Ziermann (Marketingleiter 2011-2015), ist von „übergriffigem Verhalten in vielerlei Hinsicht“ sowie von „struktureller Gewalt gegenüber Frauen und Männern“ die Rede. Der künstlerische Leiter Andreas Leisner glaubt, dass in diesem Fall Geld im Spiel war: „Es ist eine neue Masche, dass man sagt: Ja wenn du mir was zahlst oder mir das und das gibst, dann sag ich nicht aus oder dann sag ich das aus“, erhebt Leisner schwere Vorwürfe gegen Halama und Ziermann. Der Plan sei es jetzt, die Staatsanwaltschaft darüber zu informieren.
200 Künstler wollen Gustav Kuhn zurück
Stellvertretend für 200 Künstler der Tiroler Festspiele Erl meldeten sich vergangene Woche sieben Mitarbeiter zu Wort, um zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. „Die hier vertretenen Solisten fordern die Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundstätze, nach denen für jeden Menschen die Unschuldsvermutung gilt, solange keine gerichtliche Instanz ein Urteil oder die Gleichbehandlungskommision keine Empfehlung ausgesprochen hat. Die von den Stiftungsräten verantwortete und gestattete Absetzung kommt einer Vorverurteilung gleich und widerspricht somit der Rechtsstaatlichkeit“, ärgert sich Solist Ferdinand von Bothmer. „Wir Orchestermitglieder sind entsetzt über die derzeitige Darstellung unseres Hauses in der Öffentlichkeit. Man spricht uns jede künstlerische Aussagekraft ab“, schimpft Solo-Klarinettistin Karin Mischl. Die Emotionalität beinhalte manchmal einen rauen Ton während der Proben, der aber allein der Sache und dem Zweck diene und menschlich sei. „Als weibliche Mitarbeiterin (...) musste ich zu keiner Zeit irgendwelche sexuellen Dienste leisten, um meine Karriere weiterzuentwickeln. Das falsche Licht, das nun seit Monaten auf unser Haus, auf unseren liebgewonnenen Arbeitsplatz geworfen wird, erschüttert und beängstigt uns, auch existenziell. Auf Gustav Kuhn wollen wir auf keinen Fall verzichten müssen“, betont Mischl. „Wir sind wütend und verständnislos über die Entscheidung, Kuhn von seinem Dirigat zu entbinden“, ist auch Antonio Mostacci, Solo-Cellist, für eine Wiedereinstellung Kuhns. „Ich finde es beklagenswert, dass die Tiroler Festspiele zum politischen Spielball geworden sind und die Unschuldsvermutung in der österreichischen Demokratie wohl keinen Wert mehr hat. Ich habe noch keinen Arbeitstag erlebt, an dem ich einen der Vorwürfe gegen Gustav Kuhn bestätigen könnte“, so Techniker Tim Herold, der sich vom Stiftungsvorstand und der Politik mehr Courage gegenüber Kuhn erwartet. „Maestro Kuhn ist streng, aber gerecht. Wenn er schreit, dann ist es nötig. Unser Kollektiv wünscht nichts mehr, als mit ihm zusammenzuarbeiten. Lasst ihn in Ruhe und lasst ihn arbeiten. Ohne Maestro wird das Festival sehr viel verlieren“, so Dzmitry Klachko vom Chor.