In Thiersee entsteht bis Ende 2023 ein neues Bildungszentrum, den Beschluss dafür fasste der Gemeinderat in der vorangegangenen Periode. Der neu gewählte Gemeinderat stimmte vergangenen Montag, 2. Mai - wie im Wahlkampf von vielen Listen gefordert - einer Adaptierung bzw. Vergrößerung des Turnsaales mit den damit verbundenen Mehrkosten von € 698.400,- brutto mit 8:7 Stimmen zu.

Sieben Volksschulklassen (eine Klasse teilbar), fünf Kindergartengruppen, zwei Kinderkrippengruppen, die örtliche Bücherei sowie eine Turnhalle werden im neuen Bildungszentrum im Ortsteil Kirchdorf direkt oberhalb der Fußballplätze untergebracht (der Kufsteinblick berichtete).

Mehrzwecksaal
Direkt nach der konstituierenden Sitzung beschäftigte sich der neue Gemeinderat mit den (bereits beschlossenen) Plänen für das Bildungszentrum. Im Fokus stand die Sicherstellung der Nutzung des Turnsaales als Mehrzwecksaal bzw. deren Vergrößerung. Anhand eines mehrheitlichen Gemeinderatsbeschlusses (10:5) wurde der Totalunternehmer WRS Baumanagement damit beauftragt, ein Angebot für eine Vergrößerung des Turnsaales von 15 x 27 m auf 15 x 33 m inkl. eines zusätzlichen Lagerraumes (z. B. für eine Bühne) vorzulegen.

Intensive Mehrkosten
Bei einer außerordentlichen Gemeinderatssitzung lag dieses Angebot auf dem Tisch: Die Vergrößerung kostet € 582.000,- netto bzw. für die Gemeinde relevante € 698.400,- brutto. Zusätzlich waren in den ursprünglichen Gesamtkosten von € 15,2 Mio. weder eine Photovoltaikanlage, noch eine Pausenhofgestaltung oder eine Holzfassade integriert. Lt. Bgm. Rainer Fankhauser (Bürgermeister-Liste) steigen somit die Gesamtkosten auf € 16,2 Mio., davon sind von der Gemeinde rund € 8 Mio. zu finanzieren. Ob für die zusätzliche € 1 Mio. noch eine Förderung lukriert werden kann, ist unklar: „Wir werden es versuchen“, erklärt Fankhauser. Mit zusätzlichen finanziellen Einschränkungen rechnet Fankhauser aufgrund der Adaptierung nicht: Nach derzeitigem Stand würden die Ertragsanteile des Bundes zukünftig um jährlich € 200.000,- steigen.

Vergrößerung gewünscht
Bereits im Jänner 2021 haben sich lt. Fankhauser viele Vereine (SV Thiersee Hauptverein + Abteilung Fußball, SC Hinterthiersee, SK Landl, Tennisclub Thiersee, Passionsspielverein, BMK Vorderthiersee, FF Vorder-thiersee, Landjugend) für eine Vergrößerung des Turnsaales bzw. eine Mehrzwecknutzung in einem offenen Brief an die Gemeindeführung ausgesprochen. „Leider ist damals nichts geschehen, auch ein gewünschtes Zusammensetzen hat nicht stattgefunden“, beklagt Fankhauser. Erstmals wurde das (bereits beschlossene) Projekt am 8. März 2022 der Öffentlichkeit präsentiert.
Im ursprünglichen Plan wären bei einer Veranstaltung maximal 160 Personen erlaubt gewesen, mit der Vergrößerung und der damit einhergehenden Adaptierung der Brandschutztechnik sowie der Lüftungsanlage kann die Kapazität auf 250 Personen gesteigert werden. Dazu müsse z. B. bei einem Konzert die Bühne während der Probenzeit nicht abgebaut werden. „Die schulische Nutzung darf nicht beeinträchtigt werden, das ist durch die Erweiterung möglich“, verweist Fankhauser auch auf die eventuell verpflichtende Sportstunde im Jahr 2024. Weiters hätte durch die Abtrennung in der Mitte der Halle ein Fluchtweg gefehlt. Wie groß der Bedarf der Thierseer Vereine wirklich ist, im Mehrzwecksaal Sport- bzw. Kulturveranstaltungen durchzuführen, wird sich erst zeigen: „Ich gehe davon aus, dass dieser Saal oft genutzt wird“, so Fankhauser.

„Lässt sich nicht rechtfertigen“
Vize-Bgm. Johannes Kaindl (Bürgermeister-Liste) lehnte die Adaptierung ab: „Die neue Variante ist komfortabler und hat einen Mehrwert. Die € 700.000,- lassen sich für mich mit dieser erweiterten Kubatur (Anm. d. Red: 145 m2 zusätzliche Nutzfläche) jedoch nicht rechtfertigen.“ Mit einer geringen Adaptierung des Brandschutzes sowie der Lüftungsanlage hätten lt. Kaindl auch in der alten Variante 250 Personen Platz gefunden. Dazu gebe es keine Grundlage für eine Investition in dieser Höhe: „Eine geteilte Nutzung der Turnhalle wäre - natürlich mit gewissen Abstrichen in wenigen Wochen - auch in der ursprünglichen Variante möglich gewesen. Das ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Es gibt keine Bedarfserhebung, wie viele Veranstaltungen schlussendlich wirklich durchgeführt werden“, erläutert Kaindl. Für den Vizebürgermeister wäre es die bessere Lösung gewesen, mit diesem Startkapital von € 700.000,- einen neuen Veranstaltungssaal im Bereich des gemeindeeigenen Strandbades direkt am See anzudenken: „Dies wäre eine Investition in die Zukunft ohne Nutzungskonflikt, wäre gefördert und könnte auch refinanziert werden. Weiters wären die Nutzungsmöglichkeiten vielseitiger (z. B. Hochzeiten), dazu könnten mit dem Strandbad Synergien genutzt werden.“

Freies Spiel der Kräfte
Eine Uneinigkeit herrschte nicht nur im Gemeinderat, sondern auch innerhalb der darin vertretenen Listen: Die Bürgermeister-Liste (fünf Mandate) stimmte mit 2:3 gegen das Projekt: „Jeder hat seine eigene Entscheidung zu verantworten, für das wurde jeder Einzelne gewählt“, klärt Fankhauser auf. Auch für Kaindl stellen verschiedene Meinungen innerhalb der Liste kein Problem dar: „Wir sind unterschiedlicher Meinung, unterstützen uns jedoch gegenseitig, um das bestmögliche für die Gemeinde herauszuholen.“ Auch die zwei Neos-Mandatare stimmten unterschiedlich ab: „Wir haben innerhalb der Neos generell keinen Parteienzwang. Es geht immer um den eigenen Input und die persönliche Meinung“, so GR Armin Mairhofer.
Die Adaptierung wurde mit dem knappest möglichen Ergebnis von 8:7 Stimmen befürwortet.
Der Baubeginn ist Mitte August geplant, die Fertigstellung Ende 2023.

Vize-Bgm. Johannes Kaindl stimmte dagegen.

 

Bgm. Rainer Fankhauser befürwortete die Adaptierung.